Unser erster gemeinsamer Besuch bei Peace Yoga in Kreuzberg. Über Musik, Beinarbeit, Bindungen und postmoderne russische Literatur.
Dana, erzähl uns von deinem Tag. Was hat dich beschäftigt?
Excel. To-Do Listen. Überblick über die anstehende Weihnachtszeit im Job. Wer macht ab Januar Praktikum und hilft unserem Team, das neue Jahr einzuleiten? Ich habe mich an mein Bachelor-Studium erinnert und die Vorstellungen, die man da von einem Praktikum hatte. Große, bekannte Unternehmen haben es leicht – jeder ist überzeugt davon, es sei sehr gut den Namen im Lebenslauf zu haben. Ich fand das auch, hab aber trotzdem eins in einem Startup gemacht, weil ich es spannend fand. Da war Zalando noch neu und hatte nur 20 Mitarbeiter. Ich finde, wir sind ein ziemlich attraktiver Praktikumsplatz und habe auch kein Problem damit, das nach außen zu kommunizieren. Das macht mich froh, so etwas sagen zu können.
Uli, erzähl uns von deinem Tag. Was hat dich beschäftigt?
Arbeit, Arbeit… nichts weiter eigentlich. Ich muss viel schaffen, weil einige außerordentliche Sachen anstehen. Ich freue mich außerdem sehr auf mein Wochenende. Berlin wird heimgesucht, und zwar von dem einzigen Menschen den ich außer mir selber kenne, der höchstes Bildungsbürgertum und tiefste Bässe in einem einzigen Sonntag unterbringt.
– Uli
Wo habt ihr heute Yoga gemacht?
Bei Peace Yoga. Ein Jivamukti-Studio. Das einzige Jivamukti Affiliate Center in der Stadt neben Jivamukti Berlin. Es wurde 2013 von Moritz Ulrich und Nicklas Noack gegründet. Ich kenne es vor allem über Rebecca Randak, die dort auch unterrichtet.
– Dana
Heute waren wir bei Peace Yoga in Kreuzberg. Jivamukti-Stil (ja, schon wieder, aber ich konnte es kaum erwarten, dieses Studio endlich mal auszuprobieren!). Ein sehr großes, ungewöhnlich geräumiges Studio mit Theke, schönem Aufenthaltsbereich und großen geschlechtergetrennten Umkleiden.
– Uli
Beschreibe die Stunde.
Wir sind bewusst in eine Stunde von Moritz gegangen. Ich war schon ein paar Mal in seinen Klassen. Vorher wurde mir oft erzählt, wie besonders die sind. Jetzt war ich es, die Uli davon erzählte. Es war eine 90 Minuten Jivamukti Open Stunde und folgte vom Aufbau der Methode: Chanten, Sonnengrüße, Asana-Praxis mit Fokus auf ein Thema (heute waren es Dehnungen und Drehungen), Meditation und Schlussentspannung. Musik ist sehr wichtig in den Stunden – sie wird laut aufgedreht und intensiviert alles, wenn man es zulässt. Moritz kann außerordentlich gut singen und seine Ansagen sind sehr klar. Die meisten Asanas wurden auf Sanskrit angesagt und manchmal erklärt, wenn es eine Variation gab. Ich mag, dass ich die Namen immer besser lerne. Auch die klare Struktur der Jivamukti-Stunden ermöglicht mir, sehr offen zu bleiben und Vertrauen zum Lehrer zu fassen. Ich weiß, dass keine wichtigen Teile ausgelassen werden und entspanne mich besser dadurch. Außerdem ist eine Open-Klasse schön anstrengend. Die stehenden Haltungen hatten es in sich.
– Dana
Wir haben bei Moritz, einem der Gründer von Peace Yoga, eine Jivamukti Open Stunde besucht. Offiziell ist die für alle Level geeignet, aber die Anweisungen sind sehr schnell und die Posen recht fortgeschritten. Als Anfänger wäre man da recht verloren denke ich. Jivamukti ist eine sehr fließende, herausfordernde Yogaart, in der aber auch auf spirituelle Praxis sehr viel Wert gelegt wird. Wir sind mit Chanting eingestiegen. Moritz hat dazu mit dem Harmonium gespielt (das Instrument, das unsere Freundin Christina liebevoll „Zwergenklavier“ nennt) –ich war sofort fokussiert und auch irgendwie bewegt. Thematisch ging es um Glück und Wohlbefinden für alle Lebewesen und das Machtverhältnis zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Dann die Praxis in den Posen – sehr schnell, fließend und anspruchsvoll. Viel Balance und viele Twists. Die stehende Sequenz ging sehr stark auf die Dehnung und Kräftigung der Beine. Höhepunkt war der gebundene Halbmond, eine Pose, die ich nicht beherrsche und nur den Bruchteil einer Sekunde halten konnte. Selten habe ich die Seiten meines Allerwertesten so intensiv gespürt. Es hat mich geschüttelt, als wir in die Dehnung gegangen sind und ich habe gelacht (ginge es mir momentan nicht so prächtig, hätte ich vermutlich geweint – in solchen Positionen kommen oft Emotionen hoch). Moritz gab mir den Tipp, meine Fingerspitzen im Rad ein wenig nach außen zu drehen – dadurch kann ich meine Ellenbogen näher zusammenhalten, sehr gute Hilfestellung. Die Musik war schön laut, ich bin sehr gut in den Flow gekommen und ich liebe es, wenn mich die Praxis soweit bringt, dass ich emotional werde. Auch wenn das manchmal schlaucht.
– Uli
Wie würdest du die Menschen beschreiben, die im Kurs waren?
Frauen und ein Mann, der sich hinten versteckt hat. Ich beobachte sehr oft diese Dynamik, wenn alle ihre Matte möglichst weit nach hinten legen. Manche Lehrer verlegen dann Teilnehmer nach vorne, was ich gut finde. Der Kurs war angenehm gefüllt, ca. 20 Teilnehmer. Alle waren eher von der fitten Sorte – was auch durch die herausfordernde Klasse bedingt wird.
– Dana
Fast nur junge Frauen, ich kannte ein paar von anderen Yogastunden und –schulen. Ich fühle mich wohl in dem Studio und in der Gruppe.
– Uli
Wie würdest du den Lehrer beschreiben?
Moritz ist jung und strahlt eine tiefe Ruhe aus. Sein Gesang ist sehr besonders und ein Genuss für alle Zuhörer. Er spricht in Stunden häufig über unser Verhältnis zur Erde und zur Natur. Seine Reden in der Stunde passen gut und haben mich noch nie irritiert. Sie klingen natürlich.
– Dana
Moritz ist ein sehr erfahrener, wenn auch junger Lehrer, der wohl viel Zeit mit den Jivamukti-Gründern verbracht hat. Man merkt ab der ersten Sekunde, wie gut er es beherrscht, die Energie in einer Klasse hochzuziehen und zusammenzuhalten. Ich hatte sofort großen Respekt vor ihm. Er greift nicht sehr stark ein. Wenn er mir Hilfestellungen gegeben hat, dann mit den Fingerspitzen. Er zählte die Atemzüge in den Sonnengrüßen für meinen Geschmack etwas schnell, aber ich empfand es nicht als gehetzt, wie es mir sonst manchmal geht. Er ist sehr musikalisch!
– Uli
Was gefiel dir, was nicht?
Das Chanten zu Beginn war wie eintauchen und loslassen. Es gab den Tag vorher nicht mehr danach. Mir gefiel, dass ich sehr stark Uli neben mir gespürt habe. Ich habe das Gefühl, dass wir in jeder Klasse ein bisschen stärker verbunden sind. Das habe ich hier sehr deutlich gespürt und es hat mich durch die Stunde begleitet. Dass mir die „wilden“ Posen gefallen, ist ja keine Überraschung. Ich habe Fortschritte in Rückbeugen gemacht und Moritz hat mir eine gute Hilfestellung in der Königstaube gegeben. Dadurch konnte ich mein Bein entspannen und nicht zur Seite wegfallen.
Mir gefiel nicht, dass es keinen Kopfstand gab. Aber wir sind ja nicht bei „wünsch dir was“. Die Umkehrstellung (Herz über Kopf) war der Schulterstand. Ich bin in den vollen Schulterstand gegangen (ohne Stützen des Rückens durch die Hände). Das mache ich nur, wenn ich wirklich viel Energieüberschuss habe, weil er sehr viel Konzentration braucht. An Tagen, an denen ich mich nicht voll fokussieren kann, mache ich diese Pose lieber nicht, weil ich mir dann wehtue. Auf meinen Nacken passe ich gut auf. Mehr als auf Beine in den Dehnungen. Die sind da auch robuster. Bei Umkehrstellungen kommt für mich die gesamte Konzentration der Stunde auf ihren Höhepunkt.
– Dana
Ich war von der ersten Sekunde an am Haken. Praxis, Fokus, Praxis, singen, lachen, weg mit dem Kopfkino. Die Beine spüren. Und wie. Manchmal hätte ich mir einen halben Atemzug mehr Zeit gewünscht in den Posen. Ich mag den Schulterstand nicht und das wird sich wahrscheinlich nicht ändern – und die Jivamuktis machen IMMER Schulterstand. Es heißt ja, dass man das Asana, das man am wenigsten mag, am meisten braucht. Seufz.
– Uli
Wo bist du an deine Grenzen gegangen?
In der Königstaube. Ich bin hier noch unsicher, ab wann mein Ego einsetzt und möchte da lieber langsam weitergehen. Heute hatte ich aber das Gefühl, sicher in der Rückbeuge zu sein und keinen Wirbel zu überlasten – also habe ich mich getraut.
– Dana
Freihändige Vorbeuge und dann das eine Knie hinter das andere schieben und beugen, bis das hintere Knie fast am Boden ist und dann wieder hoch. Das klingt jetzt so easy, aber, boah ey. Ja, und der gebundene Halbmond.
– Uli
Dein Asana des Tages?
Königstaube – Eka Pada Rajakapotasana.
– Dana
Darf ich den gebundenen Halbmond (Baddha Ardha Chandrasana) als Asana des Tages nennen, obwohl ich ihn noch nicht wirklich kann (der Gurt dient als Hilfsmittel, während ich langsam und wackelig in die Balance gehe…)?
– Uli
Welcher Gedanke hat dich abgelenkt?
Ich hatte zwischendurch Lust zu kichern, weil Uli sich so gefreut hat und ich mich auch so gefreut habe : )
– Dana
Keiner. Außer vielleicht, dass ich nicht aufhören konnte zu grinsen.
– Uli
Was hast du über Yoga dazugelernt?
Eine intensive Praxis wirkt wie ein Radiergummi für den angesammelten Gedankenmüll in mir. Ich habe das Gefühl, mit jeder Stunde ein Stück weiter zu verstehen, wo ich angespannt bin an welchen Tagen. Manchmal werden sehr schmerzhafte Stellen freigelegt. Ich lerne gerade da Geduld zu üben. Nicht alles auf einmal lösen wollen.
– Dana
Manche Lehrer kombinieren lauter Posen, die ich sehr gut kenne, aber auf eine Art, die mich total verblüfft und mich viel tiefer in die jeweilige Bewegung reinbringt. Ich schätze, solche Sequenzen sind dann mehr eine Komposition als eine reine Abfolge. Ist ja bei guten Songs auch nicht anders: Sie bestehen aus einfachen Bausteinen, die aber auf geniale Weise kombiniert sind. Und man fragt sich hinterher, wieso man da selber nicht drauf kam.
– Uli
Was hast du über dich gelernt?
Ich beobachte, dass ich etwas Spielerisches in der Praxis finde und mein eigener Mitspieler sein kann. Wenn ich möglichst schnell ans „Ziel“ will (z. B. in irgendeine krasse Pose) war das sowas wie ein Cheat. Es ist neu und viel spannender für mich, bewusst den Prozess einfach passieren zu lassen und zu warten bis ich von alleine dorthin finde. Ich bin immer überall sehr schnell hingekommen. Selbst beim Gehen in den Straßen. Gerade spiele ich damit, Dinge bewusst sehr langsam zu machen oder solange die einfachsten Abläufe zu wiederholen, bis ich gar nicht anders kann als den nächsten Schritt zu gehen. Das liest sich sehr abstrakt. Aber die Frage ist ja auch an mich gerichtet.
– Dana
Ich muss öfter und mehr Balancen üben. Die sind für mich eine große Herausforderung und sie kamen mir in letzter Zeit nicht so häufig unter. Der Lerneffekt ist aber immer ziemlich groß. Außerdem merke ich, dass 10 Minuten Bewegung am Morgen (die ich mir gerade verschrieben habe), mich definitiv besser in den Tag und durch eine solche Yogastunde bringen als 10 Minuten mehr Snooze.
– Uli
Was hast du über Uli gelernt?
Sie lässt sich sehr gerne überraschen. Ich bewundere ihre Offenheit in jeder Situation. Wo ich relativ schnell ein Urteil oder eine Entscheidung fälle, sieht sie die Sachen lieber nochmal aus einer anderen Perspektive an. Ich merke, wie gut wir uns darin ergänzen.
Was hast du über Dana gelernt?
Körperlicher Ausgleich ist für Dana kein „nice to have“. Wenn sie ihn nicht bekommt, gerät alles aus den Fugen. Ich kenne das Gefühl, aber längst nicht so extrem; ich fange erst langsam an zu verstehen, was Bewegung wirklich für Dana bedeutet.
Worüber habt ihr danach gesprochen?
Uli hat noch Smalltalk mit einer Freundin gehalten. Ich war müde und wollte schnell nach Hause radeln.
– Dana
Wir waren beide ziemlich müde und sind recht schnell aufgebrochen. Ich glaube wir waren uns einig, dass wir die Stunde sehr schön fanden.
– Uli
Welche Frage stellst du dir gerade?
Schaffe ich es heute, früher ins Bett zu gehen?
– Dana
Wann gehe ich nächstes Mal zu Peace Yoga?
– Uli
Möchtest du noch etwas sagen?
Ich frage mich gerade wie diese subjektiven Gedanken beim Leser ankommen. Wird etwas verstanden? Genug oder zu wenig? Ich bin neugierig und würde mich über Kommentare dazu freuen…
– Dana
Ich lese gerade den Roman LJOD. Das Eis von Vladimir Sorokin. Ich habe erst 100 Seiten gelesen – es geht um eine Art Geheimbruderschaft in Moskau. Potenziellen Mitgliedern wird mit einem Eishammer auf die Brust geschlagen, bis „das Herz spricht.“ So erwachen die Auserwählten, die ein „lebendiges Herz“ haben, quasi aus der Unmündigkeit, dem sinnlosen Leben der gewöhnlichen Menschen. Ziemlich brutal auch. Ohne zu wissen, wohin der Roman noch führen wird, denke ich an Aufklärung und ihre Bedeutung in der Postmoderne. An unsere unermüdliche Suche nach irgend einer Erfüllung. Und assoziiere mit dieser Eishammer-aufs-Herz-Geschichte sofort auch Herzöffner und die unvermuteten Emotionen, Traumata, Ängste etc, die manchmal beim Yoga so hervorsprudeln. Mal sehen, wo der Gedanke noch hinführt.
– Uli
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Peaceyoga ist Toll! Ein super Studio in kreuzberg ! Unglaublich viel gelernt tolle menschen!!!
hallo Sandra, ja das finden wir auch! bis bald auf der Matte 🙂