Das war ich nicht, das war mein Ego! #2: Egoismus vs. Selbstliebe

Curb your Ego Egoismus Selbstliebe Yoga

Ein Sonntagmittag letzten September. Gut gefrühstückt, dann Berghain. Eigentlich sollte ich auf Technowolke Sieben schweben. Wenn ich nicht ständig an den denken würde, der sich zwar aus meiner Freizeitplanung, aber nicht aus meinem Kopf verabschiedet hat. So macht feiern keinen Spaß. Am Abend, der Frust verstärkt sich, nehme ich mir Ablenkung nach Hause mit.

If you satisfy your body but don’t satisfy your heart and your mind, are you satisfied?
Thich Nhat Hanh, How to Love

Obwohl ich meinen Ablenker wirklich sehr gerne mag, fühle ich mich hinterher dumm, seltsam, unangenehm. Mein Herz schlägt nicht weniger ins Leere als vorher. Bumm, bumm. Bumm, bumm. Ist da jemand? – Ich! Ich, ruft mein Ego. Ach, sei still. Ich stochere in meinem Salat und schäme mich vor mir selbst. Will halt geliebt werden, das arme Ding.

Ego weg, Selbstliebe her!?

Beim Yoga lernen wir: Das Ego ist schuld an so ziemlich allem, was dich von Gott, Erleuchtung und Klarheit abhält. Wir twisten in der Asana-Praxis unsere Körper, um es aus der Reserve zu locken. Wir versuchen eifrig, es loszulassen, wenn es uns anpiekst, weil unsere Matten-Nachbarin einfach ein viel eleganteres Happy Baby hinlegt als wir. Oder, jenseits der Matte: weil jemand nicht so viel Lust hat uns zu sehen wie umgekehrt.

Beim Yoga lernen wir aber auch: Du bist ganz genau so gut, wie du bist. Akzeptiere dich und nimm deinen Körper und deine Einzigartigkeit mit all ihren Aspekten an. Nur wenn du dich selbst bedingungslos liebst, annimmst und zu dir stehst, wirst du dein Herz für andere öffnen können.

Aus welcher Motivation handelst du?

Also was jetzt. Zum Teufel mit dem Ego? Oder doch sich selber am nächsten stehen? Ich denke, “das Ego loslassen” bedeutet nicht, dass man sich nie wieder selbst vorne anstellen darf. Im Gegenteil. Man kann nur für andere da sein, wenn man auch gut zu sich selbst ist. Die spannende Frage ist aber, aus welcher Motivation heraus es passiert.

In meinem Fall war es der Wunsch nach Nähe (nicht egoistisch) und der nach Bestätigung von außen (eher egoistisch), wodurch die Bereitschaft der anderen Person zu Nähe ausgenutzt und sie zum Lückenbüßer degradiert wird (unehrlich und sehr egoistisch).

Selbstsicherheit statt Verunsicherung

Ziel der ganzen Verdrehungen beim Asana-Üben ist es, die Energie aus dem Bauch, also von Manipura Chakra, nach oben zum Herzen (Anahata Chakra) zu transportieren. Du willst die Kraft nutzen, die du freisetzt, indem du dich von Neid, Habsucht, Eifersucht und Co. löst. Sie sind Ausdruck der Verunsicherung des Selbst gegenüber der Außenwelt. Vergiss sie. Verwende die Energie lieber darauf, dir durch deine Selbstliebe Sicherheit und Ausstrahlung zu verleihen.

Liebe ohne Kater

Vieles, was ich hier aufschreibe, schwant mir schon an besagtem Sonntag vor ein paar Monaten am Esstisch. Am selben Abend beschließe ich, meiner Geltungssucht einen Riegel und mein Ego nicht mehr als Sündenbock für Handlungen vorzuschieben, die andere (und mich) verletzen. Weder der Abwesende noch der Ablenker sind noch im Spiel. Überhaupt sind nur noch Menschen „im Spiel“, wenn ich ehrliche Nähe zu ihnen empfinde. Auf alles andere ist mir die Lust vergangen.

Wenn die von außen geholte Befriedigung nachlässt, bleibt ein fieser Kater. Echte (Selbst-)Liebe allerdings, die kann nur von innen kommen. Man kann sie ohne Nebenwirkungen konsumieren wie Club Mate an einem Sonntagnachmittag im Berghain.

Dieser Text ist Teil einer Serie, in der ich aus der Beziehungskiste von meinem Ego und mir erzähle. Was bisher geschah, kannst du hier nachlesen.
Und lass mich in den Kommentaren wissen, was du dazu denkst: in welchen Situationen musst du dein Ego an die Leine nehmen?

Titelbild (von mir zugeschnitten) © Jason Eppink via flickr.

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